Der Koran oder Qur'an (القرآن‎ al-qur'an, „die Lesung, Rezitierung, Vortrag“) ist die Heilige Schrift des Islam, die gemäss dem Glauben der Muslime die wörtliche Offenbarung Gottes (arab. Allah) an den islamischen Propheten Muhammad, vermittelt durch den Erzengel Gabriel, enthält.

Ausserislamische Rezeption

Für Johann Wolfgang von Goethe war der Koran ein Buch, „das uns, so oft wir auch daran gehen, immer von neuem anwidert, dann aber anzieht, in Erstaunen setzt und am Ende Verehrung abnötigt.“ Was ihm nicht gefiel: Die nach seiner Auffassung nachgeordnete Stellung der Frau, das Weinverbot und die Anfeindung der Poesie. Arthur Schopenhauer bemerkte im Kapitel „Ueber das metaphysische Bedürfniss des Menschen“ in seinem Werk Die Welt als Wille und Vorstellung über den Koran, „dieses schlechte Buch war hinreichend, eine Weltreligion zu begründen, das metaphysische Bedürfniss zahlloser Millionen Menschen seit 1200 Jahren zu befriedigen, die Grundlage ihrer Moral und einer bedeutenden Verachtung des Todes zu werden, wie auch, sie zu blutigen Kriegen und den ausgedehntesten Eroberungen zu begeistern. Wir finden in ihm die traurigste und ärmlichste Gestalt des Theismus. Viel mag durch die Uebersetzungen verloren gehn; aber ich habe keinen einzigen werthvollen Gedanken darin entdecken können. Dergleichen beweist, dass mit dem metaphysischen Bedürfniss die metaphysische Fähigkeit nicht Hand in Hand geht

Entstehungsgeschichte

Vor dem Tod des Propheten war die Schriftsammlung abgeschlossen, und nach Abstimmung mit allen, die den Koran sowohl mündlich (Hafiz) als auch schriftlich bewahrt hatten, entstand nach dem Tode des Propheten im Jahre 11 n. H. (632 n. Chr.) zu Zeiten des ersten Kalifen Abu Bakr der erste Koran-Band (‏مصحف mushaf), um ihn vom Verlorengehen oder Verwechseln mit anderen Aussagen des Propheten zu bewahren. Der dritte Kalif, Uthman ibn Affan (644–656), liess diese ersten Koran-Bände, welche auch z. T. in anderen Dialekten und nicht dem quraischitischen Dialekt – dem Dialekt des Propheten, der später zum Hocharabisch werden sollte – abgefasst waren, vernichten und einen bis heute erhaltenen Koran schreiben. Dabei mussten mindestens zwei Männer bei jedem Vers bezeugen, dass sie diesen direkt aus dem Munde des Propheten gehört hatten. Sechs Verse im Koran sind aber nur von einem Zeugen, nämlich Zayd, dem ehemaligen Diener des Propheten, auf diese Weise bezeugt worden. Dass diese Verse heute doch im Koran stehen, hängt damit zusammen, dass der Prophet ausnahmsweise die Zeugschaft von Zayd alleine akzeptierte, obwohl eigentlich mindestens zwei Männer bezeugen müssen. Damals hatte die arabische Schrift noch keine Vokalzeichen und keine diakritischen Punkte, durch die in der heutigen arabischen Schrift einige ansonsten gleich aussehende Konsonanten unterschieden werden; deshalb war das mündliche Beherrschen des Textes wichtig, und die Schriftform diente vor allem als Gedächtnishilfe. Mindestens fünf Abschriften wurden versandt, und zwar nach Medina, nach Mekka, nach Kufa, nach Basra und nach Damaskus. Gleichzeitig erging die Anordnung, alle privaten Koranaufzeichnungen zur Vorbeugung falscher Überlieferungen zu verbrennen. Man nahm früher an, dass die Abschrift, die nach Medina gesandt wurde, sich heute in Taschkent befindet und ein zweites Exemplar im Topkapi Museum in Istanbul verwahrt wird. Beide Exemplare sind aber in kufischer Schrift, die sich in das 9. Jahrhundert n. Chr. datieren lässt, aufgeschrieben worden und somit wohl frühestens 200 Jahre nach Mohammed entstanden.

Offenbarung

Dem islamischen Glauben zufolge ist der Koran eine Kopie des bei Gott (Allah) befindlichen „Buchs aller Bücher“ (Umm al-Kitab, vgl. Sure 3:7; 43:4) und wurde dem Propheten Mohammed in der „Nacht der Bestimmung“ Lailat ul-qadr (Sure 97) im Jahre 610 n. Chr. von Gott in sein Herz geschrieben. In der Folge wurde der Koran dann durch den Erzengel Gabriel auf seine Zunge gebracht (geoffenbart). Gemäss der Überlieferung von Mohammeds Cousin Ibn Abbas und seinem Schüler Mudschahid ibn Dschabr fand die erste Offenbarung in der Höhle im Berg Hira statt. Es sind die ersten fünf Verse der Sure 96. Sie beginnt mit den Worten: اقرأ باسم ربّك الّذي خلق iqra' bi-smi rabbika 'lla'i 'alaq „Trag vor im Namen deines Herrn, der erschaffen hat!“   Allgemein wird angenommen, dass Mohammed weder lesen noch schreiben konnte, weshalb die Muslime glauben, dass der Erzengel Gabriel ihm den Befehl gab, das zu rezitieren/vorzutragen, was vorher in sein Herz geschrieben wurde. Daher hat der Koran auch seinen Namen: „Lesung/Rezitation“.   Der islamischen Überlieferung, der Sira-Literatur und der Koranexegese (tafsir) zufolge trat Mohammed nach der ersten Offenbarung aus der Höhle und der Erzengel Gabriel baute sich in alle Blickrichtungen vor ihm auf. Von diesem Erlebnis soll Mohammed so erschüttert gewesen sein, dass er zitternd zu seiner Frau Chadidscha heimkehrte, die ihn in eine Decke wickelte, worauf die Sure 74 geoffenbart wurde:   „Der du dich (mit dem Obergewand) zugedeckt hast, erhebe dich und warne (deine Landsleute vor der Strafe Gottes) ! Und preise deinen Herrn …“   Der Überlieferung zufolge soll Ali ibn Abi Talib Augenzeuge der ersten Offenbarung gewesen sein. In den folgenden 22 Jahren wurde Mohammed der gesamte Koran offenbart, wobei viele Verse Bezug auf aktuelle Geschehnisse der Zeit nehmen. Andere Verse erzählen von den Propheten (Adam, Abraham, Noah, Josef, Moses, Isa ibn Maryam [Jesus] und weitere) und wieder andere beinhalten Vorschriften und allgemeine Glaubensgrundsätze. Dabei wendet sich der Koran an alle Menschen. Es werden auch Nichtgläubige und Angehörige anderer Religionen angesprochen.   Der göttliche Ursprung des Korans zeigt sich für Muslime unter anderem in seiner unnachahmlichen Sprache, was der Grund dafür ist, dass man im Arabischen zwischen drei Textgattungen unterscheidet: Lyrik, Prosa und Koran.

Rolle im islamischen Leben

Der Koran als Buch bedeutet den Muslimen das unverfälschte und direkte Wort Gottes. Entsprechend erfährt der Koran höchste Wertschätzung. So werden Koranausgaben von vielen Muslimen nur berührt, wenn sie sich im Zustand der rituellen Reinheit (Tahara) befinden. Auch wird man in den Wohnungen vieler Muslime kein Buch finden, das im Raum an einer höheren Stelle untergebracht ist als der Koran.   Es gilt als fromm, wünschenswert und auf vielfache Weise segensreich, den Text zu lesen, zu studieren und auch vorzutragen; oft wird die – nach festgelegten Regeln und in arabischer Sprache erfolgende – Rezitation auch schon von heranwachsenden Kindern gelernt. Jeder gläubige Muslim wird im Laufe seines Lebens danach streben, im Rahmen seiner Möglichkeiten eine gewisse Anzahl an Suren (auswendig) zu lernen und daneben möglichst oft im Koran zu lesen. Je nach Denkrichtung innerhalb der Religion des Islams wird nicht nur der (semantische) Inhalt des Textes studiert, sondern es kommt jedem Detail, jedem Buchstaben und jedem Punkt – da der Text als Gesamtes als das unverfälschte Wort Gottes gilt – grosse Wichtigkeit zu. Die Schahada, das Glaubensbekenntnis im Islam, steht im Koran an zwei Stellen: in Sure 37:35 und in Sure 47:19.   In den regelmässigen Gebeten ist die erste Sure Al-Fatiha fester Bestandteil, andere Suren oder Teile davon werden den Gebetseinheiten hinzugefügt. Darüber hinaus wird der Koran auch privat studiert, rezitiert oder in Form von Tonaufnahmen angehört. Kassetten bekannter Koranrezitatoren sind in der ganzen islamischen Welt erhältlich. Heute kann man Rezitationen auch auf verschiedenen Websites kostenlos herunterladen.   Seit den Zeiten des Propheten Muhammad bis heute gab es stets eine grosse Anzahl von Muslimen, die den Koran komplett und wortwörtlich auswendig konnten (genannt Hafiz), viele weitere beherrschen ihn zumindest teilweise. In der Wertschätzung gläubiger Muslime steht ein solcher auswendiger Vortrag an höchster Stelle, zumal der Korantext überwiegend in Reimprosa verfasst ist. Dies gibt dem Vortrag in arabischer Sprache einen zusätzlichen Reiz, der bei einer Übersetzung fast vollkommen verloren geht (eine Ausnahme ist die Übersetzung von Friedrich Rückert). Oft waren es die Blinden, die mit dem Vortragen des Koran eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe übernehmen konnten.

Suren

Name, Anzahl der Verse und Offenbarungsort – Mekka oder Medina – werden gewöhnlich im Titel der Suren gedruckt. Danach folgt (ausser in Sure 9) jeweils die Eröffnungsformel Bismillahi 'r-Rahmani 'r-Rahim: „Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen“, die so genannte Basmala. Diese wird – ausser bei der ersten Sure (die Eröffnungssure Al-Fatiha) – grundsätzlich nicht als Vers mitgezählt. Allerdings wird in der Ahmadiyya-Ausgabe die Eröffnungsformel als erster Vers mitgezählt, wodurch sich die Zählung der folgenden Verse jeweils um einen Vers verschiebt (z. B.: 2:30 ? 2:31).   Die im Arabischen übliche Zitierweise des Korans ist „<Name der Sure>, <Versnummer>“; in der nicht-islamischen Welt ist dagegen „Koran, Sure <Surennummer>:<Versnummer>“ üblich. Diese Zitierweise ist auch in Studien in arabischer Sprache nunmehr verbreitet.   Die heutige Anordnung der Suren in der Druckausgabe von der Kairoer Universität al-Azhar von 1923 / 1924 geht der traditionellen, jedoch wissenschaftlich nicht gesicherten Auffassung nach auf die Redaktion des dritten Kalifen Uthmân ibn Affân zurück. Allerdings verzeichnet die arabisch-islamische bibliographische Literatur noch im späten 10. Jahrhundert unterschiedliche Surenanordnungen der Kodices, ein Umstand, der eine einheitliche, auf den Propheten Mohammed zurückgehende Surenabfolge für viele Kritiker als fraglich erscheinen lässt. Handschriftenfunde in der Grossen Moschee von San'a deuten an, dass Korankodices aus dem ersten muslimischen Jahrhundert (7. Jahrhundert n. Chr.) bedeutende Unterschiede in der Orthographie, in den Lesarten und den Anordnungen der Suren aufweisen.   Die Anordnung der Suren folgt keinem inhaltlichen Muster; vielmehr sind die Suren, mit Ausnahme der ersten Sure Al-Fatiha, der Länge nach geordnet (beginnend mit der längsten). Auch inhaltlich sind viele Suren als unzusammenhängend zu betrachten – die Sure An-Nisa (die Frauen) beispielsweise enthält zwar einen wichtigen Teil der Koranstellen mit Bezug auf Frauen, spricht aber ansonsten auch über das Erbrecht sowie über generelle Glaubensinhalte.   Uneins ist man in der Durchnummerierung der Verse. Deshalb werden in den oft kunstvoll ornamentierten Koranbüchern die Verszahlen mit einer Umrandung von dem Offenbarungstext ausgeschlossen. Auch andere Seitenzahlen bleiben ausserhalb des Offenbarungstextes, der klar ersichtlich abgegrenzt wird. Auch ist man sich nicht einig, ob die Basmala sich nur wiederholt oder jedes Mal ein neuer Vers ist. In den meisten Exemplaren wird das erste Vorkommen dieses Verses gezählt, die anderen nicht mehr. Die Ahmadiyya-Nummerierung zählt jede Basmala mit und kommt so auf 6.326 Verse. Andere zählen 6.214 Verse.

Übersetzungen

Eine wirkliche Übersetzung des Korans gilt in der traditionellen islamischen Theologie als unmöglich, da jede Übersetzung zugleich eine Interpretation beinhaltet. Daher wird das Studium des Korans im arabischen Originaltext empfohlen. Einige Sufis zum Beispiel glauben, es sei segensreicher, sich die arabischen Buchstaben eines Korantextes anzuschauen, auch wenn man kein Arabisch versteht, als eine schlechte Übersetzung zu lesen.   Die erste Übersetzung ins Deutsche stammt vom Nürnberger Pfarrer Salomon Schweigger 1616. Er übersetzte dabei die erste italienische Fassung aus dem Jahre 1547 von Andrea Arrivabene, die ihrerseits auf einer lateinischen Übersetzung aus dem 12. Jahrhundert basierte. Der Orientalist Friedrich Rückert hat in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts weite Teile des Korans in gebundener Sprache ins Deutsche übertragen. Rückerts Übersetzung versucht den Klang des koranischen Arabisch im Deutschen wiederzugeben, hat aber Textstellen nach eigenem Ermessen ausgelassen. Tilman Nagel und Rudi Paret, dessen Übersetzung in Fachkreisen als die philologisch zuverlässigste gilt, setzen demgegenüber bei unterschiedlich zu verstehenden Passagen die zusätzlichen Übersetzungsmöglichkeiten bzw. die wörtliche Bedeutung (letzteres bei Paret mit einem w. gekennzeichnet) in Klammern dahinter.   Daneben existieren die Ahmadiyya-Übersetzungen, sowie Übersetzungen des arabisch-christlichen Theologieprofessors Adel Theodor Khoury (traditionsgebunden, vom Islamischen Weltkongress unterstützt), von Lazarus Goldschmidt, von Ahmad von Denffer und von Max Henning (Reclam).   Die Übersetzung von Henning ist von Murad Wilfried Hofmann überarbeitet und mit Anmerkungen versehen worden. Die Überarbeitung wird von vielen seiner Glaubensgenossen aus dem deutschen Sprachraum geschätzt, von Seite der Islamwissenschaften teils deutlich kritisiert. Eine zeitgenössische Übersetzung, die auch den arabischen Text und gleichzeitig zu jedem Vers eine Auswahl aus wichtigen, ins Deutsche übersetzten Kommentaren bringt, wurde von einer Gruppe deutschsprachiger Muslima unter Leitung von Fatima Grimm unter dem Titel Die Bedeutung des Koran herausgegeben.   Eine weitere Übersetzung hat Muhammad Rassoul unter dem Titel Die ungefähre Bedeutung des Al-Qur’an Al-Karim in der Islamischen Bibliothek veröffentlicht. Dies ist die Übersetzung, die auf der Website des ZMDs zu finden ist.

Wesen

Der Koran trägt im Arabischen das Attribut karim (edel, würdig). Unter deutschsprachigen Muslimen ist der Begriff der Heilige Qur'an gebräuchlich.   Er stellt für die Muslime das Wort Gottes in arabischer Sprache dar, dem Folge zu leisten ist. Die Frage, ob der Koran unerschaffen oder erschaffen sei (chalq al-Koran / خلق القرآن /„Die Erschaffenheit des Korans“), hat in der islamischen Theologie immer wieder zu heftigen Diskussionen geführt.   Der Koran besteht aus 114 mit Namen versehenen Suren, von denen 113 mit der Basmala (‏بسم الله الرحمن الرحيم bi-smi llahi r-rahmâni r-rahim, „Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen.“) anfangen. Diese Formel wird in Sure 27 Vers 30 wiederholt und erscheint somit 114 Mal.   Der Koran entstand in einem Zeitraum von etwas mehr als zwei Jahrzehnten. Nach dem Ort der Offenbarung wird zwischen mekkanischen und medinensischen Suren unterschieden. Die Suren bestehen aus einer unterschiedlichen Anzahl an Versen (arabisch: Aya (Pl. Ayat), wobei die Suren – bis auf die erste – fast durchgehend der Länge nach angeordnet sind, zum Ende hin kürzer werdend. Insgesamt besteht der Koran aus 6.236 Versen.   Der Koran ist die Hauptquelle des islamischen Gesetzes, der Scharia, weitere Quelle der Scharia ist u.a. die Sunna des Propheten Mohammed.   Qur'an (eine Art Verbalsubstantiv zu  ‏قرأ‎, qara'a = vortragen, lesen) ist höchstwahrscheinlich ein Lehnwort aus dem Syrischen, worin das „die Lesung“ bedeutende Wort qeryânâ vorkommt („Perikopenlesung“).

Wirkung

Der Koran bildete die Grundlage für zahlreiche Zweige der arabischen Wissenschaft.   Seine Sprache beeinflusste stark die Entwicklung der arabischen Grammatik – neben den erhaltenen Fragmenten der vorislamischen Dichter galt und gilt das koranische Arabisch als Richtschnur für die Korrektheit sprachlicher Ausdrücke.   Aus dem Bedürfnis nach Auslegung (Exegese) des Offenbarungsinhalts entwickelte sich die ilm at-tafsir, die Wissenschaft der (Koran)-Interpretation. Ausführliche, oft Dutzende Bände füllende Kommentarwerke sind vom 2. muslimischen Jahrhundert an (8. Jahrhundert n. Chr.) entstanden; zu den berühmtesten zählen die von 'Abd al-Razzâq al-San'ânî, al-Baghawî, Ibn Abî Hâtim, Tabari, Qurtubi, Risale-i Nur, Ibn Kathir und anderen.